Wo werden die Ziegen gekämmt?
Die traditionelle nomadische Tierhaltung der Hirten der Mongolei bedeutet ständige Bewegung im Kreislauf der Jahreszeiten. Jede Nomadenfamilie zieht mit ihrer Herde vier Mal im Jahr in ein neues Quartier. Die Ziegen werden noch im Winterquartier ausgekämmt, kurz vor dem Umzug auf die Frühlingsweiden. Der Grund ist einfach – im Winterquartier steht die notwendige Infrastruktur: der Hof als Schutz vom Wind, Zäune zur Trennung der Tiere nach Ziegenrasse, Alter und Farbe sowie Aufbewahrungsmöglichkeiten für die gekämmte Wolle usw.
Welche Ausrüstung wird zum Auskämmen benötigt?
Seit Jahrtausenden nutzen die Nomaden dieselben Werkzeuge und Utensilien:
1. Eine große saubere Plane – wahlweise einen Teppich – um die Ziegen darauf kämmen. Ausgekämmte Wolle wird so nicht unnötig durch Erde etc. verunreinigt und muss zudem nicht umständlich eingesammelt werden.
2. Säcke aus natürlichen Materialien wie Leinen, Baumwolle, um die gekämmte Wolle trocken zu lagern und transportieren zu können.
3. Dicke, breite Seile, mit denen die Ziegen während des Kämmens an den Beinen gefesselt werden. Damit keine Hautverletzungen verursacht werden, verwenden die Nomaden Seile aus natürlichen, weichen Materialien – zumeist aus Tierhaar, nie aus Leder.
4. Ein länglicher, aus Metall hergestellter Kamm – traditionell aus Kupfer – mit gebogenen, an den Spitzen abgerundeten Zinken. Der Kamm ist das wichtigste Werkzeug beim Auskämmen, es gibt ihn in drei Varianten:
- Grob (6-7 mm Breite zwischen den Zinken) zur Entwirrung der Deckhaare und Lockerung der Flaumhaare.
- Mittel (4-5 mm Breite zwischen den Zinken) für den gesamten Körper um den Bauch herum und damit den Hauptanteil der Cashmere-Wolle.
- Fein (2-3 mm Breite zwischen den Zinken) für die feinsten Haare, wie z.B. an den Ohren, Backen, Hinterkopf, Achseln.
Da nicht jeder nomadische Haushalt ein Lineal parat hat, dient im Alltag übrigens oft ein handelsübliches Streichholz als Maß: zwischen den Zinken hätte der grobe Kamm dann einen drei Streichhölzer, der mittlere einen zwei Streichhölzer und der feine einen ein Streichholz breiten Abstand.
Welche Rolle spielt das Tierwohl?
Der Tod eines Tieres ist für jeden Nomaden der Mongolei nicht nur ein finanzieller, sondern auch immer ein emotionaler Verlust. Die Gesundheit der Tiere und damit auch das Vermeiden von Verletzungen hat für die Nomaden höchste Priorität: sie leben von und mit ihren Cashmere-Ziegen.
Schwache und kränkelnde Tiere überleben die langen kalten und harten Winter auf der zentralasiatischen Hochebene nicht: Bei der traditionellen nomadischen Tierhaltung sind die Tiere auch bei -40 Grad Celsius im Freien! Folglich tun die Nomaden alles, damit die Tiere im Sommer genug Kraft tanken und gesund in die kalte Jahreszeit kommen.
Welche Farben hat natürliche Cashmere-Wolle?
In der Mongolei unterscheidet man zwischen den folgenden vier Grundfarben:
- Wollweiß,
- Beige,
- Braun,
- Grau.
Die Ziegen werden nach Farbe sortiert gekämmt, um die Herstellung farbeinheitlicher Garne ohne weitere Sortierung zu gewährleisten. Am weitesten verbreitet sind die Farben Beige und Braun. Wenn man sich einen optischen Eindruck verschaffen will: bei LaNOOS werden Produkte in diesen naturbelassenen Farben unter Kaschmirbeige und Kaschmirbraun geführt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass jedes Jahr leichte Abänderungen der Farben bringen kann, je nach Verlauf des Winters. So wird beispielsweise das Fell in trockenen Wintern grundsätzlich dunkler.
Welche Rolle spielt die Feinheit der Fasern?
Nicht nur die Farbe, sondern auch die Feinheit der Fasern wird beim Kämmen direkt berücksichtigt. Das ausgekämmte Haar wird sortiert in Säcke verpackt.
Die Dicke der Fasern wird in Mikrometer gemessen (ein Mikrometer = ein tausendstel Millimeter). Nach der Dicke der Faser wird die Cashmere-Wolle wie folgt klassifiziert:
- unter 15,5 Mikrometer (die Haare von zwei- bis dreijährigen reinrassig mongolischen Cashmere-Ziegen),
- 15,51 – 16,50 Mikrometer (die Haare von reinrassig mongolischen Cashmere-Ziegen),
- 16,51 – 17,50 Mikrometer (die Haare von reinrassig mongolischen und ausgewählten Mischrassen) und
- 17,51 – 19,00 Mikrometer (die Haare von reinrassig mongolischen Cashmere-Ziegenböcken und von verschiedenen Mischrassen).
Zum Vergleich: die Fasern der australischen Schafwolle dick – der feinsten in ihrer Kategorie! – sind 19,5 bis 21,5 Mikrometer dick. Menschliches Haar misst 75 Mikrometer.
Somit findet die Erstsortierung der Cashmere-Wolle schon bei den Nomaden statt: jeweils nach der Farbe und Feinheit der Fasern. In Säcke verpackt, geht es für die Cashmere-Wolle in den Transport und dann in die weitere Verarbeitung.
Oyun Ishdorj
März 2021
... weiter mit Teil 3 von 6 ...